Im Reich der malenden Prinzessin
Hausbesuch bei der Künstlerin Feodora zu Hohenlohe-Oehringen am Schiffbauerdamm
Berliner Morgenpost vom 8. Juli 2010
Von Anja Mazuhn
Die "Kreuzberg" gleitet vorbei, das Ausflugsschiff "Charlottenburg" hat am anderen Ufer festgemacht. Vom Bahnhof Friedrichstraße wehen verzerrte Lautsprecherdurchsagen und das Quietschen anfahrender Züge zum Schiffbauerdamm herüber.
Touristen und Geschäftsleute sitzen unter knallroten Sonnenschirmen mit Blick auf die Spree, die Häuserzeile im Rücken. "Kosmetikstudio" steht auf einem der Klingelknöpfe, "Augenärztin" auf einem anderen. Den Knopf mit der Aufschrift "Malerin" sucht man vergebens.

Selbstbewusste Malerin:"Meine Bilder sind nicht so
husch-husch mit einem Pinsel einmal drübergewischt, sondern genau
erforschend"
In der großen Altbauwohnung der Künstlerin im dritten Stock ist es angenehm kühl. Vom Küchenfenster aus blickt man auf die - an diesem Vormittag verwaisten - Garderobenräume des Berliner Ensembles. Feodora Prinzessin zu Hohenlohe-Oehringen bereitet Latte macchiato zu. Auf einem Tablett ordnet sie akribisch Gläser, Servietten, ein Gefäß mit Erdbeeren und eine Schale mit Ingwerstückchen an. Wie ein Stillleben sieht das Ergebnis aus - fertig zum Verewigen in Öl. In der Wohnung gibt es einige solcher Arrangements: Silberleuchter und Vasen mit üppigen Gartenblumensträußen, die auf alten Koffern und Antiquitäten stehen. Auf Beistelltischen drapierte Döschen und Lampen. Oder Bücher, Kinderfotografien und Miniaturspielzeuge, die eine Vitrine füllen. Die Wände zieren Arbeiten von Feodora Hohenlohe. Sie zeigen Menschen- und Tierporträts, aber auch alte Schuhe, eine Stadtansicht Amsterdams, ein Fernglas, einen Apfelblütenzweig und abstrakte Fantasien.
Im geräumigen Atelier mit Wasserblick, in dem Feodora
Hohenlohe auch Sammler empfängt und Ausstellungen vorbereitet, schützen
zugezogene Vorhänge aus Nessel vor der Sonne. Auf dem Parkettboden kleben
hier und da Streifen - Markierungen für die Staffelei. "Ich bin in einen
künstlerischen Zweig meiner Familie geboren", sagt Feodora Hohenlohe, die
die Geschichte ihrer Ahnen bis ins elfte Jahrhundert zurückverfolgen kann.
"Mein Vater war beim Theater. Von daher bin ich relativ unorthodox
aufgewachsen.

Sie nennt es "Eremitenjob": Feodora Hohenlohe im Atelier an der
Staffelei
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Oder sagen wir mal: Unorthodoxer als manch einer
meiner Standesgenossen." Über ihre Kindheit berichtet die Malerin:
"Geboren bin ich in Bayern, aufgewachsen bin ich ständig umziehend. Das
kam durch den Beruf meines Vaters. Er war am Theater, hat klassisch
angefangen als Schauspieler, später war er Regisseur, Oberspielleiter,
Intendant. Auch meine Stiefmutter war Schauspielerin. Meine
Klassenkameraden beneideten mich sehr um mein unkonventionelles
Zuhause. Und ich guckte mit Sehnsuchtsblick auf die ganz regelmäßigen
Dinge wie: Um 12 wird gegessen. Bei uns gab es das nicht. Im Nachhinein
kann ich sagen, dass ich sehr froh darum bin. Weil es mir eine
Beweglichkeit gegeben hat, die in meiner Natur nicht angelegt ist.
Dadurch kann ich mich schnell auf neue Situationen einstellen.
Schneller als ein Stier normalerweise." Ursprünglich, sagt Feodora Hohenlohe, die Oberteil und Rock aus Leinen und dazu Perlenkette und roten Lippenstift trägt, habe auch sie Schauspielerin werden wollen. "Dann lernte ich den Maler Peter Schermuly kennen, der mein Lehrer wurde. Er hat mein Talent erkannt, mich gefördert und darin bestärkt, diesen Weg tatsächlich zu gehen. Man muss erst einmal die Techniken erlernen. Das habe ich bei ihm in alter Ateliertradition getan. Die Großen sind alle zu einem Meister gegangen und haben angefangen, Leinwände aufzuspannen oder eine Zeichnung zu übertragen. In dieser Weise mitarbeitend habe ich gelernt. Alles Talent der Welt allein reicht nicht und nützt Ihnen nichts. Das Geheimnis jeder Kunst ist: Talent ja, aber der Rest ist üben, üben, üben."
Ist sie beim Malen geduldig? "Eigentlich bin ich in vielen Dingen sehr ungeduldig. Ich kann wahnsinnig zornig sein und ausrasten, aber in der Malerei bin ich wahnsinnig geduldig. Ich bleibe so lange dran, bis es so aussieht, wie ich mir das vorstelle. Ich bin auch kein wegschmeißender Künstler. Es gibt ja welche, die produzieren bei Papierarbeiten zwanzig Blätter, werfen 18 weg und behalten zwei. Das mache ich nicht. Ich arbeite an einer Sache sehr intensiv und so lange, bis ich das erreicht habe, was ich möchte. Meine Bilder sind nicht so husch-husch mit einem großen Pinsel einmal drübergewischt, sondern genau erforschend. Wir glauben, wir wissen etwas über etwas. Aber das stimmt nicht. Wir schauen auf eine Wiese und sagen: Die ist grün. Es stimmt nicht. Wenn wir nur grün nehmen, dann wird es Kindermalerei."
Ist Geldverdienen für sie ein Thema? "Ich musste immer von
der Malerei leben. Wir hatten keine Ölquellen. Ich habe das durchaus als
Druck empfunden, aber auch als eine unglaubliche Chance. Wäre ich
klischeehaft aufgewachsen, wie man so die Klischees oder Vorurteile über
Adel hat - die ja wie alle Klischees mal zutreffen können, aber in sehr
vielen Fällen treffen sie keineswegs zu -, dann hätte ich unter Umständen
nicht den Schwung gehabt. Künstlern wird oft nachgesagt, sie seien
versponnen - ich kenne nur sehr realitätsbezogene Künstler. In einem freien
Beruf kommt nicht am Monatsende die Summe X, da kommen Rechnungen."
1997 zog Feodora Hohenlohe von München an den
Schiffbauerdamm. "Ich wollte den Prozess der Wiedervereinigung nicht an mir
vorübergehen lassen. In München war das Interesse dafür mehr als gering, um
das mal vorsichtig auszudrücken." Auf Schloss Ippenburg im Landkreis
Osnabrück hat sie bei Freunden eine Zweitwohnung - ihr Kontrastprogramm zum
Schiffbauerdamm.
Zum Freundeskreis der Malerin gehören Theaterdramaturg
Hermann Beil , Maler Johannes Grützke (Feodora Hohenlohe ist Patentante
seiner Tochter) sowie Opernregisseur Nikolaus Lehnhoff . Von Zeit zu Zeit
lädt sie Gäste in ihr Atelier. "Alles lebt durch Kontraste. Das ist wie in
der Malerei. Wenn ich eine Helligkeit malen will, muss ich die Dunkelheit
verstärken. Und so wird mein Eremitentum kontrastiert durch Gesellschaften,
die ich gebe." Worauf sie bei der Auswahl ihrer Gäste achtet? "Mir ist
wichtig, dass es eine lustige Mischung ist. Es gibt Gesellschaften, wo man
hingeht, und das sind dann nur Rechtsanwälte. So reizend Rechtsanwälte sind
- wenn es nur Anwälte sind, ist es langweilig."
Ein paar Meter von Feodora Hohenlohe entfernt steht ihre
Staffelei. Ein Tischchen bietet Platz für Pinsel und Farben. Was für ein
Gefühl ist das eigentlich, wenn man vor einer leeren Leinwand sitzt und
anfängt zu malen? "Soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten? Ein Bild zu
beginnen ist herrlich", sagt Feodora Hohenlohe und rollt dabei lustvoll das
"r". "Ich könnte jeden Tag 15 Bilder beginnen. Aber ein halbes Bild zu Ende
zu malen - das ist die Leistung. Am Anfang steht immer die große Neuordnung
der Dinge. Irgendwann aber hat ein Bild seine Struktur bekommen. Der müssen
Sie dann gehorchen. Das lässt sich sehr gut mit dem Schreiben vergleichen
oder mit der Musik. Ich glaube, es gibt keine Kunst, die nicht diesen
Gesetzen unterliegt."
Gelegentlich stellt sich Feodora Hohenlohe die Frage nach
dem, was in ihrem Leben noch kommt. "Ich habe das mal als innere Übung
durchgespielt", sagt sie. "Ich hätte nur noch ein Jahr zu leben, und ich
wüsste das. Was würde ich mit diesem Jahr anfangen? So sehr ich auch
überlege: Ich komme immer wieder darauf, dass ich nochmals versuchen würde,
ein sehr gutes Bild zu malen."
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